Year end lists, teenage-y & tragic. Plant your flag, fight for its battalion. Print it out, play it to the rafters. Year end lists are permanent forever. (Sad13 – „Wrapped“)
Bestenlisten sind Quatsch. In nur zweieinhalb Minuten bringt Sadie Dupuis in „Wrapped“ auf den Punkt, warum die musikjournalistische Weihnachtstradition der Jahresrückblicke idiotisch ist: Die Bestenlisten werden schon viele Wochen vor Jahresende erstellt, weshalb jedes Jahr viele tolle Alben nicht berücksichtigt werden. Sie sind kindisches Distinktionsgehabe, feiern mehr den guten Geschmack der Ersteller*innen als die aufgelistete Musik. Ach so, außerdem solltest du besser noch das Album aufnehmen, für das dein*e Kolleg*in den Pressetext geschrieben hat – sonst wird das nächsten Treffen awkward.
Mit dem Jahr 2022 geht auch das zweite Jahr dieses Newsletters zu Ende. Nur zwei Ausgaben habe ich in diesem Jahr verschickt, einen über den produktiven Umgang mit den Archiven der Popmusik, einen über die „erste wirklich neue Musikrichtung des 21. Jahrhunderts“. Da in beiden Artikeln fast keine Musik aus dem Jahr 2022 vorkam, folgen hier ein paar kurze Texte zu Alben, die mir in diesem Jahr ans Herz gewachsen sind. Die Reihenfolge entspricht keiner Rangordnung, außerdem ist es natürlich nur eine kleine Auswahl aus meinen liebsten Alben des Jahres.
Noch ein Hinweis in eigener Sache: Wenn dir Tortue gefällt und du Menschen kennst, bei denen das ähnlich sein könnte, freue ich mich sehr, wenn du den Newsletter teilst und weiterempfiehlst. Vielen Dank und viel Spaß mit den Musikempfehlungen!
Leikeli47 – „Shape Up“
„I want every single quarter, penny, nickel, and dime.“ Leikeli47 singt diese Zeile fast zärtlich, steht aber trotzdem mit dem Baseballschläger vor der Tür, um ihr Geld einzufordern. Sobald der Beat einsetzt, ist es vorbei mit der Zurückhaltung. Vor allem in den ersten fünf Songs haut die Rapperin aus Brooklyn Punchlines und viel Selbstbewusstsein über Instrumentals, wie sie die Neptunes in ihrer kreativsten Phase in den Nullerjahren für Clipse oder Kelis produziert haben. Danach streckt „Shape Up“ seine Fühler in viele musikalische Richtungen aus, auf zuckrigen Schlafzimmer-R&B („Done Right“) folgt Hip House („BITM“) oder eine beeindruckend gesungene Akustikballade („Hold My Hand“). Vier Jahre nach ihrem letzten Album „Acrylic“ fühlt sich Leikeli47 in jedem dieser Genres pudelwohl. Obwohl die Musikerin nur mit Maske auftritt und anonym bleibt, strotzt jede ihrer Zeilen vor Persönlichkeit.
Ensemble Nist-Nah – „Elders“
Ein australischer Schlagzeuger, der im französischen Nantes lebt, reist nach Indonesien und gründet anschließend ein neunköpfiges Gamelan-Ensemble. Niedergeschrieben mag das anstrengend oder gar nach exotistischem Weltmusik-Kitsch klingen, in der Praxis nicht. Die sechs Kompositionen von Will Guthrie und seinem Ensemble Nist-Nah sind nicht verkopft, sondern Ganzkörpermusik – nicht nur dann, wenn die Frequenzen des großen Gongs den Hörer*innen die Eingeweide massieren. Da die Ensembles traditionell aus Xylophonen, Metallophonen und gestimmten Gongs bestehen, ist bei Gamelan jeder Rhythmus auch immer eine Melodie – und umgekehrt. „Elders“ spielt häufig mit dem Kontrast von eher scharfkantigen Metallsounds und dem satten Klang des Schlagzeugs. „Rollin“ wird von zwei rhythmisch leicht versetzten Paradiddle-Patterns auf den Drums vorangetrieben, erst ganz allmählich lassen sich auch die Gongs von dieser Hektik anstecken. Viele Tracks auf „Elders“ bauen sich auf ähnliche Weise auf, nehmen an Lautstärke, Tempo oder rhythmischer Komplexität zu, man spürt dabei die Freude der neun Perkussionist*innen am gemeinsamen Geklöppel. Neben solchen Momenten, die an Steve Reichs Kompositionen für Perkussionsensembles erinnern, stehen Momente der Ruhe, wenn der Beat aussetzt, die Gongs und Becken eher gestrichen und gestreichelt werden oder – wie am Ende von „Geni / Tirta“ – die Vokalistin Jessica Kenney jede einzelne gesungene Silbe endlos ausdehnt.
Omni Selassi – „Dance Or Dye“
Es gibt Momente auf „Dance Or Dye“, in denen Omni Selassi wie die Kellerclub-Version von Ensemble Nist-Nah klingen. Zum Beispiel in der Mitte von „D1111NGER“, wenn Schlagzeuger Mirko Schwab oder Lukas Rutzen (oder beide) in flinken Sechzehnteln zwischen Tom-Tom, Ride-Becken und Rim hin und her springen. Auch „XVT (Onîhanîghâ)“ mit seinem rasanten Four-to-the-floor-Bass und den darüber geschichteten synkopierten Trommelrhythmen sowie dem hypnotischen Gesang von Rea Dubach klingt wie ein Club-Remix einer „Elders“-Komposition – genau in der goldenen Mitte von Rave und schamanischem Ritual. Ansonsten fällt es schwer, Vergleiche zu ziehen oder die Musik des Trios aus Bern zu kategorisieren. Klar, Krautrock, Psychedelic, Improvisation, Experiment, aber auch Pop – das alles passt irgendwie, aber kann doch nicht beschreiben, was die Hörer*innen auf „Dance Or Dye“ erwartet. Auch die Band selbst war der Legende nach überrascht, in welche Richtung sich ihr Debütalbum entwickelt hat. „Nichts auf dem Album ist so, wie wir es haben wollten“, schreiben Omni Selassi auf Bandcamp. „Nichts ist so, wie es tatsächlich ist – und wahrscheinlich mögen wir es gerade deshalb so sehr.“ Zumindest den letzten Teil glaubt man der Band sofort. Wer so viel Spaß an Stilbrüchen, Abzweigungen und Ausschweifungen hat, wer Songs am liebsten ein- und umstürzen lässt, der liebt es auch, wenn der eigene Plan nicht aufgeht. Selten klang Chaos besser.
Guido Möbius – „A Million Magnets (And More)“
Don’t call it Resteverwertung! Das rhythmische Fundament der acht Tracks von „A Million Magnets (And More)“ bilden zwar Schlagzeugaufnahmen von Andrea Belfi, die Guido Möbius bereits für das Album „Batagur Baska“ (2016) mit dem italienischen Drummer aufgenommen hat, und auch Yuko Matsuyamas Gesang auf „Schlucht“ und „Discrete Wiring“ stammt ursprünglich aus Sessions für das Album „G.A.M.S.“ (2019) von Guido Möbius und Andi Stecher. Doch es gehört zur Kunst des Samplens, Sounds aus ihren ursprünglichen Kontexten herauszuschneiden und zu neuen Sinnzusammenhängen zusammenzufügen. Im ersten und letzten Drittel von „A Million Magnets (And More)“ steht der Groove im Zentrum der Tracks, etwa wenn Belfi bei „Schlucht“ über die Toms seines Schlagzeugs wirbelt, oder bei „How To Never Make Up“ seine Rim-Klicks und die Flöte von Jutta Mayer die Beschwörungen von Sängerin Jana Plewa polyrhythmisch umtanzen. Im Mittelteil seines sechsten Soloalbums zeigt Guido Möbius dann, dass das Schlagzeug mehr als ein Rhythmusinstrument ist. In „Feed Me Fog“ kreiert Andrea Belfi kleine Melodien auf den Toms, begleitet nur von ein paar vereinzelten langgezogenen Tönen. Und „Windjammer“ ist eine fast rhythmuslose Soundcollage, bei der das zischelnde Ride-Becken die auf- und abschwellende Komposition wie ein Schwarm nervöser Insekten umkreist.
Yara Asmar – „Home Recordings 2018 – 2021“
Yara Asmars Katze Mushroom ist auf „Home Recordings 2018-2021“ nicht zu hören (zumindest habe ich sie noch nicht entdeckt). Dabei gehört die Information, dass Asmar mit ihrer Katze in Beirut lebt, zur kurzen Biografie der 25-jährigen Musikerin und Videokünstlerin auf Bandcamp. Auch wenn der Albumtitel und Songtitel wie „There Is A Science To Days Like These (But I Am A Slow Learner)“ es erwarten lassen, sind die sieben Ambient-Kompositionen auf „Home Recordings 2018-2021“ keine musikalischen Tagebucheinträge. Anders als etwa bei Claire Rousay steht weniger die Intimität und Zufälligkeit der Field Recordings im Vordergrund, stattdessen hat jedes Geräusch, jeder Piano-, Synthie- oder Akkordeon-Sound einen bewusst gewählten Platz. Die eingängige Metallophon-Melodie des Openers „It’s Always October On Sunday“ taucht im vorletzten Track „4 Is An Okay Number“ wie ein Leitmotiv erneut auf, in der zweiten Komposition ergänzen sich Klavier und der in einer Kirche mitgeschnittene Chor perfekt. Obwohl der Chor rückwärts abgespielt wird, könnte man mit der Komposition kein satanisches Ritual untermalen – dafür strahlt sie zu viel heimelige Wärme aus.
Carla dal Forno – „Come Around“
Auch „Come Around“ bewegt sich zwischen den Polen „heimelig“ und „unheimlich“, hier verläuft die Kippbewegung aber in umgekehrter Richtung. Nach Aufenthalten in Berlin und London ist Carla dal Forno zurück nach Australien in die Kleinstadt Castlemaine im Bundesstaat Victoria gezogen, dennoch ist ihr drittes Album kein Loblied auf die pastorale Idylle und kein Abgesang auf die großstädtische Reizüberflutung. Zwar hört man auf jedem der neun Songs die Weite der Landschaft, weil Carla dal Forno eine Meisterin des Weglassens ist, deren wichtigstes Instrument der Freiraum zwischen ihrer Stimme, dem pluckernden Beat und Bass ist. Die Naturidylle entpuppt sich jedoch spätestens mit dem Cover „The Garden Of Earthly Delights“ der Experimental-Band The United States Of America (1968) als gefährliche Umgebung voller Giftpflanzen, statt einzulullen handelt der verführerische Dreampop auf „Come Around“ zunächst von Schlaflosigkeit („Stay Awake“). Wenn uns Thomas Bush im Duett „Slumber“ dann endlich auffordert, unsere müden Augen zu schließen und uns in das instrumentale „Deep Sleep“ fallen zu lassen, schwingt da auch eine Drohung mit. Man hofft, wieder aufzuwachen – und zwar nicht einsam in einer feindlichen Natur, sondern unter Freund*innen.
Nathan Salsburg – „Landwerk No. 3“
Über Nathan Salsburgs „Landwerk“-Reihe habe ich bereits in der zweiten Ausgabe dieses Newsletters geschrieben. Auch auf „Landwerk No. 3“ tritt die Vergangenheit in den Dialog mit der Gegenwart, erneut hat der US-amerikanisch Folkmusiker seine Sammlung alter 78rpm-Schallplatten nach kurzen Fragmenten durchforstet, die er loopt und darüber mit Gitarre oder Tasteninstrumenten improvisiert. Die sechs neuen Meditationen, die auf phonografischen Aufnahmen aus dem Zeitraum von 1914 bis 1940 beruhen, variieren oder erweitern die Formel der Reihe zwar nicht, sind aber erneut eine faszinierende „Mischung aus Zeitreise und Séance.“
FKA twigs – „Caprisongs“
Das Label „Mixtape“ nimmt Druck raus. Zweieinhalb Jahre nach dem kunstvollen „MAGDALENE“ veröffentlicht FKA twigs kein neues Album, sondern nur ein Mixtape. Die Formel hinter „CAPRISONGS“: Mit Freund*innen ins Studio, den Beat laufen lassen, Spaß haben. Diesen Eindruck will die 34-jährige Sängerin zumindest mit vielen Studiogästen wie Jorja Smith, Shygirl oder Pa Salieu und scheinbar zufällig mitgeschnittenen Gesprächen zwischen den Songs vermitteln. Wie der Vorgänger dreht sich auch „CAPRISONGS“ um Spiritualität, nimmt das Thema aber weniger ernst als das sakrale „MAGDALENE“. Passend dazu ist der Titel des Mixtapes zwar eine Anspielung an Sternzeichen, weckt aber vor allem Erinnerungen an die bunten „Capri-Sonne“-Trinktüten aus der Kindheit. Wenn FKA twigs in 48 Minuten mit Dancehall, Afrobeats, Drill und Hyperpop jongliert, wird klar, dass es beim Label „Mixtape“ gar nicht um Erwartungsmanagement geht. Vielmehr steht das Mixtape für genau die Qualitäten, die auch perfekten Pop auszeichnen: es ist freier, verspielter und schert sich nicht um das Gesamtwerk, sondern immer nur um den einen perfekten Moment.
Westside Gunn – „Peace ‚Fly‘ God“
In einem seriösen Jahresrückblick darf dieses Mixtape nicht auftauchen. „Peace ‚Fly‘ God“ ist angeblich das Ergebnis eines 48-stündigen Aufnahmemarathons, bei dem Westside Gunn trotzdem nicht viel zu tun hatte, weil er den Platz vorm Mikro lieber den weniger prominenten Rappern Estee Nack und Stove God Cooks überließ. Der 40-Jährige aus Buffalo, New York wirkt weder übermäßig motiviert noch inspiriert. Zudem beginnt „Peace ‚Fly‘ God“ wenig vielversprechend mit einem Gag über Tomaten und Ketchup/„catch up“, gleich der zweite Song endet mit einem lieblosen Acapella-Freestyle. Viele Gegenargumente also, aber das spielt alles keine Rolle, sobald der Beat von „Big Ass Bracelet“ oder „Derrick Boleman“ einsetzt. Ein paar Takte Soul oder Jazz im Loop von Don Carrera oder Madlib, absurde Adlibs-Lautmalerei („Boom, boom, boom, boom, boom“) und eine grandiose Hook von Stove God Cooks bei „Horses On Sunset“ – mehr brauche ich nicht. Und deshalb hat „Peace ‚Fly‘ God“ einen Platz in meinem Jahresrückblick sicher.
Billy Woods – „Aethiopes“
„Aethiopes“ wäre auch ohne Billy Woods ein fantastisches Album. Dafür sind einerseits die sehr guten Gast-Strophen von Rappern wie Gabe 'Nandez, El-P, Quelle Chris oder Despot verantwortlich, andererseits in erster Linie DJ Preservation. Wer behauptet, dass der New Yorker Produzent Billy Woods‘ Kurzgeschichten (und jeder Song auf „Aethiopes“ ist eine Kurzgeschichte) musikalisch untermalt, untertreibt maßlos. Preservation schafft nicht nur die Atmosphäre, jedes Instrumental zimmert gleich das ganze Bühnenbild. Man sieht bereits die Überwachungskameras, den Sicherheitszaun und dahinter den verdächtigen Nachbarn mit einem Whiskyschwenker auf der Veranda, bevor Woods in „Asylum“ diese Szenerie aus Sicht eines Jungen, der mit der Beschattung seines Nachbars die streitenden Eltern ausblenden will, beschreibt. Wie Preservation dies mit Hilfe eines Samples des „äthiopischen Elvis‘“ Alèmayèhu Eshèté gelingt, wie er anschließend für „No Hard Feelings“ italienischen Prog-Rock aus den 1970ern von Picchio dal Pozzo loopt, wie er auf „NYNEX“ Mundharmonika-Blues in eine SciFi-Szenerie verlegt oder den Reggae von „Protoevangelium“ in die dramatische Synthie-Melodie von „Remorseless“ übergehen lässt, ist im wahrsten Sinne des Wortes großes Kino.
Kolb – „Tyrannical Vibes“
Wenn ein gelernter Opernsänger Pop macht, erwartet (oder besser: befürchtet) man große Gesten, viel Theatralik und ausufernde Arrangements. Stattdessen schreibt Mike Kolb aus Brooklyn naive und kurze Indiepop-Songs mit LoFi-Charme und überlässt den Gesang meist seinen Freund*innen Ani Ivry-Block, Carolyn Hietter, Max Brown und Tenaya Nasser-Frederick. Weiteres Pro-Argument für „Tyrannical Vibes“ von Kolb: Saxofon-Soli!
Soul Glo – „Diaspora Problems“
Alles! Muss! Raus! Während der zwölf Songs von „Diaspora Problems“ presst Jordan Pierce mehr als 5.000 Worte aus seinem geschundenen Körper, rattert dabei eine schier endlose Liste von Reklamationen auf: Seine Psyche: kaputt! Gesundheitssystem, Polizei und Justiz der USA: kaputt! Die Musikindustrie: kaputt! Der Kapitalismus: kaputt, aber alive and kicking! Alles, was man über den Hardcore-Punk des Quartetts aus Philadelphia wissen muss, steckt im Songtitel „Jump!! (Or Get Jumped!!!)((by the future))“. Die fünf Ausrufezeichen stehen für die Energie und Kompromisslosigkeit des Sounds, bei dem sich ein Ausflug in verrauschten Noise-Rap bei „Driponomics (feat. Mother Maryrose)“ erholsam anfühlt, die eingeklammerten Ergänzungen für die endlosen Wordkaskaden und den Humor von Pierce. Natürlich endet solche eine Naturgewalt nie, der Orkan zieht nur weiter: „Diaspora Problems“ fadet nach knapp vierzig Minuten langsam aus, lässt die Hörer*innen atemlos und ziemlich durchgepustet zurück.
Upchuck – „Sense Yourself“
Geht das noch als „Vocal Psychedelia“ durch? Zumindest schwirrt die Stimme der Sängerin KT bei Songs wie „Upchuck“ oder „Wage For War“ vervielfacht und verfremdet wie ein Schwarm wütender Geister um die Köpfe der Hörer*innen. Auch wenn das Quintett aus Atlanta auf „Sense Yourself“ das Tempo immer wieder anzieht, walzt die Punk-Band meist mit der Schwere und Intensität einer Metal-Band durch die Songs. Dann wieder überraschen Upchuck auf dem großartigen „Facecard“ mit zackigen Indie-Gitarren und bei der von Drummer Chris in Spanisch gesungenen Selbstbestimmungs-Hymne „Perdido“ mit lateinamerikanischer Percussion und Beschwingtheit. Zusammengehalten werden solche Experimente von Upchucks eigener Version der „(Vocal) Psychedelia“: beide Songs versumpfen am Ende im Gitarren- und Stimmen-Wirrwarr.
Birds In Row – „Gris Klein“
Für Birds In Row war die Welt schon vor der Corona-Pandemie und den anderen Krisen der letzten Jahre verloren. „We Already Lost The World“ hieß das zweite Album vor vier Jahren, doch diese Erkenntnis hat das Trio aus Frankreich nicht zu Nihilisten gemacht. Zwar kann man sich Birds In Row eher schlecht mit Partyhütchen im Konfettiregen vorstellen („Confettis“), dennoch ist die Botschaft der Post-Hardcore-Band bei aller Wut und Aggression auch auf dem dritten Album eine positive der Solidarität. Wie bei Touché Amoré und anderen verwandten The-Wave-Bands werden hier die Schürfwunden und Narben nicht gezeigt, um zu beweisen, wer der oder die Härtere ist. Stattdessen ist „Gris Klein“ kollektives Wundenlecken als gemeinschaftsbildende Maßnahme. Und das ganz ohne billig-anbiedernde Tricks: Auch bei Songs jenseits der Sechs-Minuten-Marke verzichtet das Trio auf Postrock-Crescendos oder hymnische Refrains, sein Hardcore bleibt vertrackt und kompliziert wie das Leben. Die Welt ist verloren, aber wir haben immer noch uns.
Wenn du noch mehr tolle Alben aus dem Jahr 2022 entdecken möchtest, kannst du meine Liste auf der Seite Buy Music Club durchstöbern.
Das war die achte Ausgabe von Tortue, die vorherigen Ausgaben kannst Du im Archiv des Newsletters nachlesen. Vielen Dank für Deine Zeit. Wenn Dir meine Gedanken zu Musik, Popkultur und dem ganzen Drumherum gefallen haben, abonniere den Newsletter und erzähle Deinen Freund*innen davon. Außerdem freue ich mich über Kommentare und Rückmeldungen – per Mail, auf Mastodon, Twitter oder Instagram.
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Your drummer is showing... <3