Diese Schildkröte hat den größten Teil des Jahres im Winterschlaf verbracht. In den wenigen wachen Momenten hat sie vor allem „Funcrusher Plus“ von Company Flow gehört und darüber den einzigen regulären Newsletter des Jahres geschrieben. Es freut mich, dass dieser Text nun auch im ALL GOOD-Magazin erschienen ist.
Ein paar Klänge aus diesem Jahr sind aber trotzdem hängengeblieben. Deshalb folgt hier der erste Teil meines Jahresrückblicks: Zehn Alben aus dem Jahr 2024, die bleiben werden.
Phiik & Lungs – „Carrot Season“ (POW Recordings)
Lungs rappt, wie andere Leute nachts um drei Uhr Nachrichten schreiben: ein endloser Wortschwall, ohne Groß- und Kleinschreibung oder Satzzeichen; schwer zu dekodieren, aber voller interessanter Beobachtungen. Manchmal streicht der New Yorker MC sogar die Leerzeichen zwischen den Wörtern, rattert die Silben in einem monotonen Schnellfeuer-Stakkato herunter. Wer den „Off Top“-Freestyle gesehen hat, weiß, dass Lungs dabei nicht einmal blinzelt.
Dass sich diese Rezension von „Carrot Season“ bislang ausschließlich um Lungs dreht, ist kein Zufall: der Ausnahmerapper zieht alle Aufmerksamkeit auf sich. Erst nach einigen Durchläufen erkennt man, dass auf dem Album – genau wie in dem Wimmelbild auf dem Cover von „Carrot Season“ – auch sonst ganz schön viel los ist. Olasegun aus Houston, Texas, der die 20 Songs des Albums produziert hat, steht zwar auf gediegene Jazz- und Muzak-Samples mit Vibrafon, klimperndem Klavier oder gar Flamenco-Gitarre, baut diese aber zu verrauschten LoFi-Beats zusammen, bei denen mindestens ein Element windschief neben dem Takt her stolpert. Und Phiik, die andere Häfte des Rap-Duos hinter „Carrot Season“ und der „Another Planet“-Mixtapereihe, hätte mit seinen rhythmisch ausgeklügelten Zeilen und ungewöhnlichen Wortspielen und Metaphern im New York der Jahrtausendwende die Def Jux- und Rawkus-Fans verzückt – wirkt neben Lungs aber wie der „konventionelle“ Rapper.
ShrapKnel – „Nobody Planning To Leave“ (Backwoodz Studioz)
Wenn Rapper*innen auf Albumlänge mit einem Produzenten zusammenarbeiten, loben Kritiker*innen gerne, dass das Ergebnis „wie aus einem Guss“ klingt. Für „Nobody Planning To Leave“, das dritte Album des New Yorker Rap-Duos ShrapKnel, gilt dies nicht. Stattdessen hat der Produzent Controller 7 für Curly Castro und PremRock einen bunten Flickenteppich genäht.
Zum Beispiel „Steel Pan Labyrinth feat. Onry Ozzborn + Lungs“: Das Instrumental klingt in der ersten Strophe so, als würde eine wilde Horde den synkopierten Beat auf rostigen Ölfässern trommeln – und mit dieser Energie steigt auch Curly Castro in den Song ein. In der zweiten Strophe stoppt die Horde abrupt – Onry Ozzborn wird nur von einer Drum-Machine begleitet –, um dann PremRock wieder mit aller Kraft nach vorne zu prügeln. Und weil Lungs sich sowieso außerhalb von Metrum und Takt bewegt, begleiten ihn zum Ende des Songs verhallte Jazz-Klänge. Drei 180-Grad-Wenden in etwas mehr als drei Minuten.
Zum Beispiel „Uru Metal feat. ELUCID“: Pizzicato-Geigen sorgen für eine nervöse Grundstimmung, schwirren um ELUCID herum, bis dieser am Ende nur noch brüllt statt rappt. Und wie reagiert Controller 7 auf diesen Schrei? Der Produzent aus der Bay Area unterlegt PremRocks melancholische Reflexionen mit einem wunderschönen Chor und einem gedämpften, ganz in den Hintergrund gemischten Schlagzeug. Und treibt dann das Energielevel sofort wieder in die Höhe und beendet den Song mit einer Mischung aus Psych-Rock und BoomBap. Zwei 180-Grad-Wenden in unter vier Minuten.
Diese abrupten Wendungen mitten in Songs machen es den Hörer*innen schwer zu erkennen, wo ein Song endet und der nächste beginnt. Dennoch ist der Flickenteppich von „Nobody Planning To Leave“ kein willkürliches Stückwerk, sondern folgt einer musikalischen und inhaltlichen Dramaturgie.
Zum Beispiel baut Controller 7 am Ende des wunderschönen „Kaishakunin“ ein Sample von ELUCIDs Zeilen „This piano was played underwater by a slave ship’s suicide jumper with eight fingers, and no he didn’t take a selfie“ ein und leitet damit in den wütend stampfenden Song „8-Finga Piano feat. D-Styles“ über, dessen Titel wiederum von der Zeile inspiriert wurde. Und am Ende dieses Songs scratcht D-Styles (Beat Junkies) den Ausruf „Don’t quit the piano“ von Billy Woods und bringt damit die beiden Armand-Hammer-Kollegen zusammen – denn der folgende Song „Uru Metal“ wird von ELUCID und damit der zweiten Hälfte des New Yorker Rap-Duos eröffnet.
Armand Hammer und deren letztes Album „We Buy Diabetic Test Strips“ sind naheliegende Vergleichsgrößen, wenn man über „Nobody Planning To Leave“ spricht. ShrapKnel selbst zollen auf dem Album aber zwei anderen Rap-Gruppen Tribut: De La Soul und Company Flow.
Zum Beispiel mit „Deep Space 9 Millie Pulled A Pistol“: Der Titel vermählt El-Ps „Deep Space 9mm“ mit der wohl bekanntesten Single aus „De La Soul Is Dead“, der Refrain variiert dann die Zeilen aus Company Flows emotionalem Song „Last Good Sleep“. Auf „LIVE Element“ lässt PremRock noch einmal Company Flows Motto „Independent as fuck“ aufleben, Curly Castro feiert auf „8-Finga Piano“ die „Rugged like Rwanda“-Zeile von Bigg Jus, über die ich in der vorherigen Ausgabe des Newsletters geschrieben habe. Und wenn im letzten Song „Lune TNS“ erwähnt wird, wissen Tortue-Leser*innen, dass dies sowohl der Sprayer-Name von Bigg Jus als auch ein Songtitel von Company Flow ist.
Und wem das zu nerdig ist, wer sich für die vielen Rap-Referenzen nicht interessiert, der kann sich einfach zurücklehnen, sich am sonnigen Querflöten-Beat von „Sataday“ erfreuen und vom leicht angeduselten Geplapper von Curly Castro einlullen lassen: „What’s the dabble dee, tipi tais, on a wah da tah?“
ØKSE – „ØKSE“ (Backwoodz Studioz)
„ØKSE“ ist ein Jazzalbum, auch wenn es auf dem derzeit wichtigsten Rap-Label Backwoodz Studioz erscheint und mit ELUCID, Billy Woods, Maassai und Cavalier vier Rapper*innen als Gäste auftreten. Aber „ØKSE“ ist kein „reines“ Jazzalbum, weil das Quartett aus vier Grenzgänger*innen zwischen den Genres besteht: Savannah Harris aus New York am Schlagzeug, Petter Eldh aus Schweden am Kontrabass (und Synthie und Sampler), Mette Rasmussen aus Dänemark am Saxofon und Val Jeanty aus Haiti als DJ, Perkussionistin und „Soundchemikerin“.
Das Album beginnt mit dem würdevoll schreitenden Spiritual Jazz von „Skopje“, ELUCID gibt den Hohepriester, Rasmussens Saxofon windet sich elegant um seine Stimme. Auf den folgenden sieben Songs begnügt sich Rasmussen selten mit der begleitenden Nebenrolle: entweder stehen ihre hochenergetischen Saxofon-Soli im Zentrum des Songs wie im folgenden „Three Headed Axe“ oder Rasmussen agiert wie eine weitere Rapperin neben den Gast-MCs. Dann ahmt sie in ihren Strophen Rhythmus, Betonung und Flow der Rapper*innen nach und entwickelt sie weiter. So wie im Song „Amager“, in dem Billy Woods in resigniertem Tonfall von dem rassistischen Verhalten der Sicherheitsbeamt*innen am Flughafen in Trondheim erzählt. So richtig in Rage „redet“ sich aber erst Mette Rasmussen in der nächsten Strophe mit immer wütenderen und schrilleren Saxofon-Salven.
Hana Vu – „Romanticism“ (Ghostly International)
Im Anfang war Pop Jugendkultur und Jugend deshalb ein zentrales Thema der Songs, Filme und Bücher. Dann wurden die Pop-Aficionados älter, Jugend blieb Thema, wurde aber nostalgisch verklärt oder betrauert. Hana Vu ist viel zu jung und – „to be young is to be sad“ – zu traurig, um ihre Jugend zu verklären. Dennoch weint sie ihr – mit Anfang 20 und damit an der Schwelle zu einer neuen Phase – bereits hinterher. „I’m just getting old/ I’m just twenty-two“, wiederholt Hana Vu in der Coda von „22“. Sie singt das mit so viel Inbrunst, lässt die Gitarre so herzzerreißend wimmern, dass man ihr die Klage übers Altwerden abnimmt.
Dabei weiß die Musikerin aus Los Angeles noch nicht, dass Rückenschmerzen schlimmer als Herzschmerz sind und dass man im Alter nicht klüger wird, sondern nur emotional abstumpft. Davon ist sie auf „Romanticism“ noch weit entfernt, jeder der zwölf Songs kocht – randvoll mit Drama und Gefühlen – über. Ganz grob lässt sich Vus zweites Album, das sie zusammen mit Jackson Phillips von Day Wave aufgenommen hat, in zwei Hälften unterteilen: in der ersten Hälfte bremst Vus Weltschmerz „Romanticism“ aus, die Songs bauschen sich dank flächiger Gitarren zu großen Klageliedern. In der zweiten Hälfte ist der Indierock und Synthiepop etwas leichtfüßiger und tanzbarer. „There’s no song in my heart/ Like I thought there was/ When I was young“, stellt Hana Vu im Opener „Look Alive“ bestürzt fest. Ihre Melodien haben sich aber sehr hartnäckig in meinem Herzen eingenistet.
Friko – „Where We’ve Been, Where We Go From Here“ (ATO)
Wer etwas älter ist, erlebt auf dem Debütalbum des Indierock-Duos aus Chicago, Illinois viele Déjà-entendu-Momente: die fragile, leicht brüchige Stimme von Sänger Niko Kapetan ruft den jungen Conor Oberst und Elliott Smith ins Gedächtnis, die orchestralen Momente erinnern an Sufjan Stevens, die euphorischen Gruppengesänge vieler Refrains an Japandroids. Außerdem blitzen The Microphones, mewithoutYou oder The Walkmen immer wieder auf.
Das spricht aber nicht gegen Niko Kapetan und Schlagzeugerin Bailey Minzenberger, sondern für ihren guten Musikgeschmack. Die neun Songs von „Where We’ve Been, Where We Go From Here“ sind kein Malen-nach-Zahlen-Indierock, sondern emotional mitreißend. Zwar schlägt der Refrain des wütenden „Get Numb To It!“ als einzig verbleibende Reaktion auf die Beschissenheit der Dinge vor, gefühllos zu werden – doch Friko machen auf ihrem Debütalbum das genaue Gegenteil: sie leiden, hadern mit ihrem Schicksal und suchen Erlösung oder zumindest Trost. Und finden ihn ganz am Ende mit der wunderschönen Ballade „Cardinal“.
The Zew – „Zazel Wants To Fly“ (Numavi/Rock Is Hell)
Aus sechs Augen auf dem Cover des Debütalbums „1FI1FO“ wird ein Auge auf „Zazel Wants To Fly“. Aus zehn Songs werden vier. Dennoch ist das Mini-Album, das Rock Is Hell im schönen Format der Doppel-Seven-Inch veröffentlicht hat, keine Reduktion aufs Wesentliche. Denn musikalisch kommen die vier neuen Songs geradezu opulent daher – zumindest für The Zew. „1FI1FO“ drehte sich in ganz engen Kreisen um Leonie Schlager, um ihre Gitarre und ihre Stimme. Die Effekte auf ihrer Stimme erzeugten dabei den Eindruck, als würde die österreichische Musikerin ihre seltsamen Folksongs direkt aus der Zwischen- und Geisterwelt zu uns singen. Mit Daniela Czurda am Bass und Matthias Frey am Schlagzeug wird Leoni Schlager auf „Zazel Wants To Fly“ von einer kleinen Band begleitet. Es gibt Streicher und einen Chor, der ihr auf „Black Feather“ antwortet oder im ausgelassenen Finale von „No Target“ das Tempo anzieht. Doch vor allem sind da fantastische Melodien. Melodien wie alte Volksweisen, die so vertraut klingen, als wären sie immer schon da gewesen. Und die dennoch überraschen, weil sie uns an unbekannte Orte führen: „Where do we go to/ Go to now?/ We’ll be making it up/ As we go/ Making it up/ As we go“.
Julia-Sophie – „Forgive Too Slow“ (Ba Da Bing)
Julia-Sophie ist diese eine Person, die dir mitten auf dem Dancefloor plötzlich ihre Lebensgeschichte erzählt. Klar, der Beat treibt weiter an, aber die Geschichten voller Betrug und Herzschmerz ziehen ganz schön runter. Wie schon auf den EPs „Y?“ (2020), „</3“ (2021) und „It Feels Like Thunder“ (2022) singt und spricht die Musikerin aus Oxford mit Wurzeln in Frankreich ihre Lyrics, tut dies aber stets im Flüsterton. Das erzeugt nicht etwa eine ASMR-Atmosphäre der Nähe und Intimität, vielmehr scheint es, als wolle sich Julia-Sophie hinter ihrer beachtlichen Sammlung an alten Drum-Machines und analogen Synthesizern verstecken. Am deutlichsten in der Single „Numb“, bei der Julia-Sophie ihre schonungslose Beichte („I cheated and I lied/ I lost myself in drugs and I lost myself inside“) unter immer weiteren Perkussion-Spuren begräbt, bis sie schließlich ihre Stimme zerhackstückelt und Teil des Beats werden lässt. Ein Versteckspiel à la hiding in plain sight, das auf dem Albumcover von „Forgive Too Slow“ fortgesetzt wird: dort ist die Musikerin zwar großformatig abgebildet, ihr Gesicht liegt durch den Schatten ihrer Cap aber im Dunklen.
Vielleicht ist dieses Versteckspiel auch Julia-Sophies Reaktion auf ihre Erfahrungen in der Musikindustrie. In den Nullerjahren stand sie mit ihrer Band Little Fish an der Schwelle zum Rockstar-Leben: Albumaufnahmen in Los Angeles, ein Vertrag beim Majorlabel und Konzerte im Vorprogramm von Hole, Eagles Of Death Metal und Juliette Lewis. Doch weil diese Erfahrungen sie nach eigenen Angaben als Musikerin und auch Mensch beinahe zerstört hätten, kehrte sie nach Oxford zurück und macht dort seitdem – auf dem kleinen Kassettenlabel Beanie Tapes oder ihrer Bandcamp-Seite – ihr Ding. Es passt zu dieser Trotz- bzw. Abwehrhaltung, dass sich die beiden großen Hits von „Forgive Too Slow“, nämlich die nostalgischen 80er-Synthiepop-Hymnen „Wishful Thinking“ und „Telephone“, ganz am Ende des Albums verstecken.
Ghost Dubs – „Damaged“ (Pressure)
Musik in Schwarzweiß: Wer zu „Damaged“ die Augen schließt, träumt garantiert keinen Farbfilm. Welche Bilder beschwört der Dub-Techno des Stuttgarter Musikers Michael Fiedler stattdessen herauf? Menschenleere Straßen bei Nacht, dazwischen brutalistische Betonriesen, die sich in den sternenfreien Himmel bohren. Auf dem Schnee (oder ist es Asche?) am Boden Fußabdrücke, die beweisen, dass hier mal Menschen waren. Wir folgen den Fußspuren bis zu einem zur Seite gehievten Gullydeckel und hinab in die Kanalisation. Wie der Herzschlag der Stadt pulsiert hier der (Off-)Beat, die Bässe rütteln an den Wänden und Stahlträgern. Ab und an weht eine Melodie wie bei „Hot Wired“ oder gar eine menschliche Gesangsstimme wie bei „Thin Line“ durch die Tunnel. Steht man in der Mitte einer Kreuzung, an der die Echos und perkussiven Sounds aus mehreren Kanalsystemen aufeinanderprallen, verliert man vollkommen die Orientierung („Dub Simulation“). Der Titel „Damaged“ trifft es nicht ganz: Die Musik von Ghost Dubs ist nicht beschädigt. Vielmehr ist es Musik für eine zerstörte Welt, durch die nur noch das Echo menschlicher Zivilisation wabert.
Nídia & Valentina – „Estradas“ (Latency)
Egal, ob man Valentina Magaletti von der experimentellen Rockband Moin, den Psychedeliker*innen Vanishing Twin oder ihrem Soloalbum „A Queer Anthology of Drums“ kennt – ein gemeinsames Album der im italienischen Bari geborenen und in London lebenden Schlagzeugerin mit der Kuduro-Produzentin und DJ Nídia war nicht wirklich zu erwarten. Es ist eine Zusammenarbeit, die im ersten Moment überrascht, aber dann sofort Sinn ergibt. Tatsächlich harmonieren die beiden Musiker*innen auf „Estradas“ so gut, dass man oft nicht entscheiden kann, was Valentina Magaletti live getrommelt hat und was von Nídia programmiert oder zumindest nachträglich manipuliert wurde.
Was man aber sagen kann: Alles auf „Estradas“ muss sich dem Rhythmus unterwerfen oder selbst Rhythmus werden – etwa das Stöhnen auf „Rapido“ oder die geloopten Stimmen von „Mata“ und dem Titeltrack. Obwohl das Duo und Tom Halstead, der gemeinsam mit Magaletti in der Band Moin spielt und das Album produziert hat, vor allem auf perkussive Sounds setzen und diese manchmal nur mit ein paar kalt klirrenden Synthies unterlegen, ist die musikalische Bandbreite von „Estradas“ überraschend groß. „Nasty“ klingt mit seinen verzerrten Sounds und der düsteren Atmosphäre nach Industrial, „No Promises“ dagegen nach sonnigem Afrobeat (und Magalettis Drums nach Tony Allens). „Rapido“ zuckt und zappelt mit seinen Footwork-inspirierten Beats durch den Höhepunkt einer euphorischen Clubnacht, „Sicilia“ und das abschließende „Tutta La Notte“ klingen wie ein spontaner Trommelkreis am Ende einer langen, lauen Sommernacht.
Jlin – „Akoma“ (Planet Mu)
Björk, das US-amerikanische Streichquartett Kronos Quartet und Minimalist Philip Glass: Die drei Gäste auf „Akoma“ sind eine Ansage. Zum einen handelt es sich um Schwergewichte ihrer jeweiligen Genres, zum anderen machen sie musikalisch ein weites Feld auf. „Akoma“ durchpflügt dieses Feld, wandelt zwischen Pop, elektronischer Tanzmusik und modernen Ensemblekompositionen.
Mit „Summon“ und seinen rhythmischen Streichern hat Jlin eine Neuauflage von Strawinskys skandalöser Ballettmusik „Le Sacre Du Printemps“ geschaffen. Solange „Sodalite (ft. Kronos Quartet)“ nicht für den Soundtrack von „Bridgerton“ genutzt wird, werde ich die Serie und ihre Spin-Offs weiterhin ignorieren. Bei „Speed Of Darkness“ und „Auset“ orientiert sich die 37-Jährige aus Gary, Indiana stärker an ihren Wurzeln im Footwork. „Open Canvas“ täuscht zunächst einen sehr direkten Four-to-the-floor-Banger mit Synthies wie Motorsägen an, verknotet in der zweiten Hälfte aber alle Gliedmaßen auf der Tanzfläche mit seinen synkopierten Rhythmen.
Aus ihren Footwork-Tagen hat sich Jlin eine Liebe für Triolen und künstliche Drum-Sounds erhalten, im Mittelteil ihres dritten Albums setzt sie aber auf den Sound „echter“ Schlaginstrumente. „Challenge (To Be Continued II)“ verbindet afrikanische und lateinamerikanische Percussion mit dem strengen Takt einer US-amerikanischen Marching Band, „Eye Am“ erinnert mit seinen analogen Sounds an ein Gnawa-Ritual.
Das war die 14. Ausgabe von Tortue, die vorherigen Ausgaben kannst Du im Archiv des Newsletters nachlesen. Vielen Dank für Deine Zeit. Wenn Dir meine Gedanken zu Musik, Popkultur und dem ganzen Drumherum gefallen, abonniere den Newsletter und erzähle Deinen Freund*innen davon. Außerdem freue ich mich über Kommentare und Rückmeldungen – per Mail, auf Bluesky, Twitter, Threads oder Instagram.
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